Bezirksdelegiertentag

Bezirksdelegiertentag mit Seran Ates und Gerd Stiefel als Referenten

Artikel aus der Badischen Zeitung vom 08. Juni 2016:

TITISEE-NEUSTADT. Die Flüchtlingskrise und die daraus resultierenden Herausforderungen für Deutschland standen im Mittelpunkt des Bezirksdelegiertentags der Frauen-Union Südbaden in Titisee-Neustadt. Als Referentin war Seyran Ates, eine deutsche Muslimin mit türkisch-kurdischer Herkunft, eingeladen. Die Trägerin des Bundesverdienstkreuzes war Mitglied der Deutschen Islamkonferenz und Teilnehmerin des Integrationsgipfels der Bundesregierung. 1984 war sie nur knapp einem Attentat entkommen. So verwunderte es nicht, dass sie in Begleitung von zwei Personenschützern kam.

Ihre Erfahrungen in Sachen Integration und Gleichberechtigung der Frauen nutzten die Delegierten der Frauen-Union als Grundlage für eine Resolution (siehe Info). "Die Experten wussten, was kommt, doch niemand hat entgegengesteuert", kritisierte Seyran Ates mit Bezug auf zunehmende Anschläge seit dem 11. September 2001. Den Moscheengemeinden gibt sie eine Teilschuld, da dort die Radikalisierung stattfinde. Häusliche Gewalt, Ehrenmorde, Kinder- und Zwangsehen würden kaum thematisiert, stattdessen Hasspredigern die Türen geöffnet. Nur in liberalen Moscheen, für deren Gründung sie sich stark macht, könne Fanatikern entgegengewirkt werden. Dort könne der Glaube ohne Kopftuch gelebt und Männer und Frauen nebeneinander beten.

Die Angst vor dem Islam teile sie. "Es ist unsere Religion, die zerstört wird." Als gläubige Muslimin trage sie Verantwortung, etwas dagegen zu tun. Jemandem den Kopf abzuschlagen, stehe im Widerspruch zu dem Glauben, dass Gott allein Leben gibt und Leben nimmt. Grabschereien erklärte sie mit Geschlechtertrennung und unterdrückter Sexualität junger Männer, denen Kontakt zu Mädchen nur über arrangierte Ehen möglich sei.

Die Flüchtlingsfrage müsse innereuropäisch geregelt werden, betonte Ates. "Dann können wir es auch schaffen und nicht mit einem Pakt, der uns in die Knie zwingen will", so ihre Kritik in Richtung Türkei. Mit Zunahme der Migrationsfamilien bräuchten immer mehr Frauen Zuflucht, doch den 350 Frauenhäusern bundesweit fehle interkulturelles Personal, um Selbstbewusstsein und Vertrauen der Frauen fördern und sie über ihre Rechte aufklären zu können. Dringend notwendig sei die Erarbeitung von Bildungskonzepten. Denn in der Schule könne man am ehesten Kindern das Zusammenleben mit anderen Kulturen vermitteln.

Fünf Prozent der Frauen tragen nach Ates’ Erfahrungen das Kopftuch aus Gottgefälligkeit, der Rest auf sozialen Druck hin. Die Vollverschleierung widerspreche der Gleichberechtigung und der Menschenwürde, sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Auch Kinder- und Vielehen dürfe der Staat keinesfalls akzeptieren. Das Mindestheiratsalter von 18 Jahren und das Verbot der Bigamie müssten ausnahmslos gelten. So genannte Lebensgefährtinnen müssten selbst finanziert werden, dafür sei die Solidargemeinschaft nicht da. "Dies würde Tür und Tor für alle möglichen Unsitten öffnen, die wir einmal abgeschafft haben", sagte sie auch mit Bezug auf spezielle Badetage für muslimische Frauen oder dem Freitagsgebet während der Arbeitszeit.

Mit anhaltendem Beifall zeigten die Unionsfrauen, dass sie voll auf der Seite der mutigen Muslimin stehen. "Wir Frauen hier im Land müssen darauf achten, dass das Rad nicht zurückgedreht wird, sondern dass alle Frauen an diesem Erreichten teilhaben", fasste Bezirksvorsitzende Helga Gund zusammen. Auch für die CDU-Bundestagsabgeordneten Kordula Kovac und Andreas Jung muss für die Integration der Grundsatz des Förderns und Forderns verbindliche Regeln gelten.

Punkte der Resolution

Integration: Für die Integration werden neue Konzepte fürs friedliche Zusammenleben in Kindergärten, Schulen und Universitäten gefordert. Unterrichtsbefreiung aus religiösen Gründen darf es nicht geben. Integrationskurse, auch für Frauen zur Durchsetzung der Gleichberechtigung, muss verpflichtend sein. Frauen dürfen keine Vollverschleierung tragen. Imame in deutschen Moscheen müssen deutsch sprechen, in Deutschland ausgebildet und auf das Grundgesetz verpflichtet worden sein.
Einwanderung: Deutschland muss selbst bestimmen, wer einwandern darf und wer nicht. Entscheidungen über Asylverfahren sollen schneller erfolgen, abgelehnte Asylbewerber müssen umgehend zurückgeführt werden. Es wird ein Einwanderungsgesetz gefordert.
Innere Sicherheit: Gefordert wird die Verbesserung der Inneren Sicherheit durch zusätzliches Personal bei Polizei, Justiz und Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie ein besserer Datenaustausch zwischen Bundes- und europäischen Ländern.
Bleibeperspektiven: Junge qualifizierte Menschen sollen Perspektiven zum Bleiben bekommen, Leistung müsse einen anderen Stellenwert erhalten.

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